
Frankfurt 30.Oktober 2025
Nach Jahren mit vielen suchenden Eltern und Wartelisten bleiben inzwischen in manchen hessischen Kinderkrippen Betreuungsplätze unbesetzt. Was könnte hinter dem Wandel stecken?
"Krabbelstube Hügelhüpfer hat Plätze frei". Viele Passanten dürften verwundert auf den Zettel im Fenster einer Frankfurter Kinderkrippe schauen. Schließlich war die Suche nach einem Betreuungsplatz lange Jahre eine mühsame Angelegenheit. Inzwischen hat sich die hessenweite Situation zumindest an einigen Orten entspannt.
Auch die Frankfurter Krabbelstube "Am Lindenbaum" kann noch Kinder aufnehmen. Für Leiterin Christine Geßner eine ungewohnte Situation, die sie im Beruf so bislang nicht erlebt hat. " Ich habe die Warteliste schon abgearbeitet" , berichtet sie. Blieben Plätze unbesetzt, dann sei das wegen fehlender Einnahmen problematisch. In Frankfurt gebe es in manchen Stadtteilen eine erkennbare Überversorgung an Plätzen in Relation zu den suchenden Eltern, erklärt der Geschäftsführer der Trägergesellschaft BVZ, Christian Strickstrock. Zu den Ursachen zählten rückläufige Kinderzahlen. Es hätten schon Gruppen geschlossen werden müssen.
Carsten Baumann Diakon in Frankfurt- Die geburtenschwachen Jahrgänge sind in den Krippen angekommen.
Diakon Carsten Baumann, Geschäftsführer der Evangelischen Tageseinrichtungen für Kinder im Evangelischen Regionalverband Frankfurt und Offenbach, berichtet von freien Plätzen für Unter-Dreijährige in vier Frankfurter Stadtteilen. "Die geburtenschwachen Jahrgänge sind in den Krippen angekommen" erklärt er. Aufgrund der hohen Lebenshaltungskosten in Frankfurt zögen Familien vermehrt ins Umland.
Wir können feststellen, dass es in ersten Regionen zu freien Plätzen sowohl in Krippen als auch im Kindergartenbereich kommt" erklärt Sabine Herrenbrück, Fachbereichsleiterin Kindertagesstätten in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN). Eine generelle Trendumkehr sieht die Expertin nicht. Noch seien die Anzeichen "eher vage und regional sehr unterschiedlich". Allerdings würden nicht nur in Frankfurt freie Plätze gemeldet, sondern auch in anderen Regionen. "Im Moment hören wir es eher aus Großstädten und deren Umland" ergänzt Herrenbrück.
"Dass der Kinderrückgang in den Ballungsgebieten eintritt, kann möglicherweise damit zusammenhängen, dass Familien seit Corona in den ländlichen Raum ziehen und die Städte als Wohn-und Aufwachsenorte an Attraktivität verloren haben", schätzt Herrenbrück. Ein weiterer Aspekt könne auch die zurückgehende Migration sein. "Wenn der Familiennachzug nicht mehr möglich ist, betrifft dies auch Kinder". Und ein letzter Aspekt könne der Zeitgeist sein, dass sich junge Frauen gegen Kinder entscheiden.
"Auch in Kassel stellen wir fest, dass in einigen Stadtteilen vereinzelt Betreuungsplätze nicht sofort belegt werden können", erklärt ein Sprecher der Stadt. Dies betreffe sowohl Plätze für Kinder unter drei Jahren als auch Ältere. Die Platzvergabe für das Kitajahr 2025/2026 sei allerdings noch nicht abgeschlossen, ergänzt er. Und: "Es gibt weiterhin viele Stadtteile, in denen es deutlich mehr Nachfragen als Plätze gibt."
Weiter Mangel an Fachkräften
"Bei der Belegungsentwicklung unserer Kindertagesstätten zeichnet sich kein homogenes Bild, aber ein Stadt-Land-Gefälle ab", erklärt Anja Berens, Sprecherin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck. Während es etwa in Kassel nach wie vor an Betreuungsplätzen fehle, sei in einigen ländlichen Kommunen die Nachfrage gesunken. Ein Sprecher der Stadt Wiesbaden erklärte, dass Kinderbetreuungseinrichtungen seit kurzem einen Trend hin zu sinkender Nachfrage spüren. Auf den aktuellen grundsätzlichen Mangel an Erziehern und Erzieherinnen hat die neue Situation zunächst keine Auswirkungen, erklären Experten. "In den Einrichtungen, in denen nicht mehr alle Plätze belegt sind, wird vermutlich nach so vielen Jahren engen Personalsituationen einmal durchgeschnauft", sagt Herrenbrück von der EKHN. Langfristig werde die Personalausstattung den Kinderzahlen angepasst. Laut dem BVZ-Geschäftsführer Strickstrock könne die aktuelle Situation auch zu mehr Qualität führen. Er sehe eher eine Chance, als ein Risiko, sagt Strickstrock.
Kinzigtal-Nachrichten Donnerstag 30. Oktober 2025